Pans Labyrinth

Pans Labyrinth ist Vieles zugleich: Ein Film über das Franco-Regime gegen Ende des spanischen Bürgerkriegs, ein Märchenfilm – gleichsam ein düsteres Pendant zu Alice im Wunderland – sowie ein Horrorfilm, der eigentlich ein Film über den Horror zweier sich bedingender Welten ist.

Die düstere Atmosphäre in den Traumsequenzen von Pans Labyrinth wird beeinflusst von Zeichnungen des Illustrators Arthur Rackham und den schwarzen Gemälden von Francisco de Goya. Die Bilder des Gemäldezyklus, allesamt gekennzeichnet durch eine bedrückende, teilweise grausame Grundstimmung, gehören zum Spätwerk des spanischen Malers. Er malt alle 14 Bilder auf die Wände seines Landhauses in der Nähe Madrids. Die Bilder entstehen ab 1820; die Wahl der Motive, der expressive Malduktus und die Farbpalette mit ihren düsteren Erdtönen können auf Goyas Erfahrungen der napoleonischen Kriege und den Verlust seines Gehörs zurückgeführt werden. Die Motive der schwarzen Bilder zeigen Wesen mit ins Fratzenhafte verzerrten Gesichtern, unermessliches Leid und dämonische Qual: „Jetzt holt der breite Pinsel aus dem schleimig-schmutzigen Plasma der Farbmaterie rudimentäre, verquollene Leiber und larvenähnliche Gesichtszüge hervor, die noch mit Formlosigkeit behaftet sind.“ (Hofmann 2003)

Saturn verschlingt eines seiner KinderFrancisco de Goya: Saturn verschlingt eines seiner Kinder, 1819-1823   Public Domain

Saturn verschlingt eines seiner Kinder ist das wohl bekannteste Werk der schwarzen Bilder. Der griechisch-römischen Mythologie zufolge isst Saturn (griechisch: Kronos) seine beiden erstgeborenen Kinder kurz nach deren Geburt, um zu verhindern, dass sie ihn stürzen. Guillermo del Toros Pale-Man-Sequenz greift Goyas Gemälde nicht nur thematisch auf, sondern auch farblich-stilistisch: „Goya was an obvious reference, specifically with regards to the character of the Pale Man. There is a scene in which the Pale Man bites the heads off the fairies. That comes straight from Goya’s painting of Saturn devouring his son.” (Del Toro 2006)

Zwei Alte essen SuppeFrancisco de Goya: Zwei Alte essen Suppe, 1819-1823   Public Domain

Der Stiltransfer der Pale-Man-Sequenz basiert aber nicht auf Saturn verschlingt eines seiner Kinder, sondern auf dem etwa zur selben Zeit entstandenen Wandgemälde Zwei Alte essen Suppe (siehe auch Francisco de Goya im Abschnitt Moving Paintings). Das Bild dient zwar nicht als direkte inhaltliche Vorlage, bildet mit der düsteren Farbgebung und der Lichtgestaltung jedoch die ideale Grundstimmung für die Szene. Auf dem Gemälde sind zwei unbekannte ältere Menschen zu sehen. Während die eine Person mit zur Fratze verstelltem Gesicht den Suppenlöffel in der Hand hält, weist die zweite Person, an einen Totenschädel erinnernd, lediglich auf den Suppenteller. Beide Personen blicken aus dem Bildrand heraus, quasi in Erwartung eines Dritten. Der Hintergrund ist nahezu in reinem Schwarz gehalten, während im Vordergrund wenig gesättigte Ocker- und Brauntöne vorherrschen. Die unterirdischen Gewölbe in Pans Labyrinth greifen sowohl die Farbpalette des Bildes auf als auch dessen pointierte Chiaroscuro-Beleuchtung (vgl. Etherington-Wright / Doughty 2011, 17).

Auch Goyas kritische Haltung zu den Schrecken der realen Welt spiegelt sich in del Toros Film wider. Pans Labyrinth ist kein Fantasyfilm, sondern zuallererst ein Film über den Spanischen Bürgerkrieg und die Schreckensherrschaft der Franco-Ära. „Stets verwischt in Pans Labyrinth der Kontrast zwischen Phantasie und Realität, die Grenzbereiche werden aufgebrochen. Reales wirkt sich auf ‚Irreales‘ aus. Umgekehrt nehmen die Gestalten der Parallelwelt, so unwirklich sie auch erscheinen mögen, Einfluss auf das Geschehen der realen Welt, sie sind in ihr verankert und manifestieren sich auf unterschiedlichste Weise. (Alp-)Traum und Wirklichkeit gehen Hand in Hand.“ (Lommel et al. 2008, 278)

Gemalte SequenzGemalte Sequenz

Der bleiche Mann in der Märchenwelt von Pans Labyrinth ist ein düsteres Monster, das unseren schlimmsten Alpträumen entsprungen zu sein scheint. Er bedroht die junge Ofelia in genau der Traumwelt, in der sie sich flüchtet, um der noch grausameren Realität des faschistischen Franco-Regimes zu entfliehen: „Viel schlimmer ist aber der Faschist Capitán Vidal. Er ist das eigentliche Monster des Films, das mit einem sadistischen Lächeln brandschatzt, mordet und foltert und eine blutige Spur des Schreckens nach sich zieht.“ (Peters 2007)

Etherington-Wright, Christine / Doughty, Ruth: Understanding Film Theory. New York 2011.
Del Toro, Guillermo: Pan’s people. In: The Guardian, 17.11.2006.
URL: https://www.theguardian.com/film/2006/nov/17/2 (abgerufen im Dezember 2016)
Hofmann, Werner: Goya: Vom Himmel durch die Welt zur Hölle. Stuttgart 2003.
Lommel, Michael / Maurer Queipo, Isabel / Roloff Volker (Hrsg.): Surrealismus und Film: Von Fellini bis Lynch. Bielefeld 2008.
Peters, Harald: Lauter Wunder in „Pans Labyrinth“. In: Die Welt, 17.2.2007.
URL: https://www.welt.de/kultur/article720500/Lauter-Wunder-in-Pans-Labyrinth.html (abgerufen im Dezember 2016)