Metropolis

Metropolis (1927) gilt manchen Kritikern als der letzte große expressionistische Film. Tatsächlich gibt es stilistische und inhaltliche Übereinstimmungen – etwa in Bezug auf Bildgestaltung, Dekor, Schauspiel und bestimmte Subthemen wie Vater-Sohn-Beziehung, Mensch-Maschine-Konflikt und Klassengesellschaft. Auf der anderen Seite lässt Fritz Lang den Expressionismus gerade im Bereich der Filmästhetik und der Architektur hinter sich. Licht und Schatten werden als Gestaltungs- und Strukturelemente eingesetzt, um soziale Gegensätze zu verdeutlichen. Die Menschenmassen in der Unterstadt folgen einer Choreografie, die im Zusammenspiel mit dem Schnittrhythmus eine neue Geometrie des Raums schafft. Vor allem aber ist es die Architektur der Oberstadt, die sich zwar an US-amerikanische Wolkenkratzer anlehnt, in ihrer visionären Kraft aber bis heute genrebildend wirkt:

„Metropolis hebt sich deutlich ab vom phantastischen Film der Stummfilmära und begründete in Deutschland ein neues Filmgenre: die Sciencefiction. Die damals neuartigen Elemente gehören heute zu den gängigen Mustern der Gattung. Eine negative Utopie zeigt die Exposition; der Zukunftsstaat ist eine Klassengesellschaft: Während in der achtlosen Unterstadt die Arbeiter wie Sklaven hausen und zehn Stunden am Tag von der Maschine tyrannisiert werden, leben die Menschen der Oberstadt in einer Welt des Luxus und des Überdrusses.“ (Töteberg 1989, 53)

Visuelle Codes wie das Schattenspiel oder die vertikale Kadrierung, die Fritz Lang nutzt, um etwa Hochhäuser zu fokussieren, sind Stilelemente, die sich später auch im Film Noir wiederfinden. Inhaltlich variieren viele Noir-Filme das Großstadtthema des Expressionismus, das den psychologischen Unterbau für die gebrochenen Antihelden der amerikanischen Nachkriegszeit bildet (vgl. Filmportal.de).

Die MolochmaschineMetropolis: die Molochmaschine (Filmstandbild)   Fair Use

Für das Bühnenbild ist Erich Kettelhut verantwortlich. Die Architektur der Maschinenstadt unter der Erde greift das Motiv einer Radierung von Franz M. Jansen aus dem Jahr 1921 auf: „Two etchings from Franz Maria Jansen’s 1921 portfolio Industry capture a dehumanizing urban landscape of factories billowing smoke and cavernous rows of machines through which workers trudge mechanically, very much as they are portrayed returning from work in Metropolis.“ (Benson 2012)

Als Vorlagen für die Gestaltung der Oberstadt dienen unter anderem Werke des Bauhaus-Künstlers Lyonel Feininger. In New York geboren, kam er 1888 nach Berlin, wo er an der Königlichen Akademie studierte: „Here he experienced the rapid changes in the city, the creation of an architecturally representative centre ringed by tenements, embodying the crass social divisions of Wilhelmine society. In Feininger’s woodcut, ‘Kathedrale des Sozialismus’, which appeared as the frontispiece of the Bauhaus manifesto in 1919, the linear city of urban modernity is devoid of the dissonant notes of social and class conflicts, but instead symbolizes a modern urban utopia in which social relations would be organically harmonious (…).“ (McElligott 2001, 36)

Villa am Strande IVLyonel Feininger: Villa am Strande IV, 1918   Fair Use

Für den Stiltransfer der Babel-Sequenz in Metropolis bilden gleich zwei Bilder Feiningers die Grundlage. Villa am Strande IV entsteht 1918 in Heringsdorf. Der Holzschnitt, beeinflusst vom Expressionismus, reduziert das Motiv auf eine abstrakt-geometrische Komposition, bei der lediglich die Villa selbst mit ihren horizontalen und vertikalen Elementen gegenständlicher Natur ist, während der Vordergrund und vor allem der Himmel ihre Dynamik aus dem Zusammenprall diagonaler Linien und Flächen beziehen.

Gaberndorf ILyonel Feininger: Gaberndorf I, 1921   Fair Use

Gaberndorf I (1921) dient der Kolorierung der Metropolis-Sequenz. Stilistisch lehnt sich das Ölgemälde an die Heringsdorfer Holzschnitte an, ist aber auch vom Kubismus beeinflusst. Bei der Farbgebung greift Feininger auf schwere Erdtöne in unterschiedlich gesättigten Nuancierungen zurück. Durch die strahlenartige Anordnung der Bildgeometrie wird das Licht wie durch ein Prisma gebrochen.

Gemalte SequenzGemalte Sequenz

Töteberg, Michael: Fritz Lang – mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1989, 53-61.
Filmportal.de: Fritz Langs „Metropolis“ im Wandel der Zeit. O.D.
URL: http://www.filmportal.de/thema/fritz-langs-metropolis-im-wandel-der-zeit (abgerufen im Oktober 2016)
McElligott, Anthony: The German Urban Experience, 1900-1945: Modernity and Crisis. London / New York 2001.
Benson, Timothy: Metropolis, Dr. Caligari, and the Aesthetics of Expressionist Cinema. Los Angeles 2012.
URL: http://unframed.lacma.org/2012/10/11/metropolis-dr-caligari-and-the-aesthetics-of-expressionist-cinema (abgerufen im Oktober 2016)