Kagemusha

Akira Kurosawa ist einer der bedeutendsten Regisseure der Filmgeschichte. Kagemusha (1980) und Ran (1985) gelten als die wichtigsten Filme seines Alterswerks: episch-breit angelegt, inhaltlich Shakespeare’sche Dramen variierend und von einer ästhetischen Kraft, die ihre Spannung aus dem Wechselspiel von ruhiger Bildkomposition und dynamischer Bewegung bezieht.

Kurosawa ist nicht nur Filmemacher, sondern auch Maler. Er wird sowohl von der traditionellen japanischen Malerei beeinflusst als auch von europäischen Stilen wie Impressionismus und Expressionismus. Zum Film kommt er eher zufällig, nachdem er zunächst durch die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule gefallen ist und Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre als Gelegenheitsmaler und Grafiker gearbeitet hat, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen (vgl. Stafford 2010, 1).

Storyboard-Zeichnung für KagemushaStoryboard-Zeichnung für Kagemusha. Quelle: strangewood.tumblr.com Fair Use

Seine größten Erfolge feiert Kurosawa nach dem zweiten Weltkrieg mit Rashomon (1950) und Die Sieben Samurai (1952). Nach dem Debakel um seine Mitarbeit am Pearl-Harbour-Film Tora! Tora! Tora! (1970), wo es ihm nicht gelingt, nach zwei Jahren brauchbares Material abzuliefern, wird es stiller um Kurosawa. Er hat große Probleme, weitere Filme zu finanzieren, und leidet unter gesundheitlichen Problemen.

Als er 1977 der japanischen Produktionsfirma Toho das Konzept (und die kalkulierten Produktionskosten) für Kagemusha vorlegt, bekommt er eine Absage. 40 Jahre, nachdem der Regisseur seine Filmkarriere begonnen und sich von der Malerei verabschiedet hat, beginnt er erneut zu zeichnen. Mit Kreide, Aquarell, Gouache und Sumi erschafft er mehrere Hundert Zeichnungen und Skizzenbilder, die einen visuellen Eindruck von Kagemusha vermitteln sollen (Richie 1980, 204).

Gemalte SequenzGemalte Sequenz

Kurosawa erstellt damit ein komplettes Storyboard für einen Film, von dem er annimmt, er würde nie realisiert werden können. Die Skizzen zeigen nicht nur detaillierte Darstellungen einzelner Einstellungen, sondern vermittelten darüber hinaus genaue Vorstellungen des Settings und des Film-Looks. Donald Richie schreibt, dass dabei ein idealer Film entstanden sei, ohne zu diesem Zeitpunkt produziert worden zu sein (Richie 1980, 204). Als Kurosawa Ende der 1970er Jahre mit Hilfe von Francis Ford Coppola und George Lucas dann doch die Finanzierung des Films sichern kann, liegt mit dem umfangreichen Skizzenwerk ein komplettes Kompendium für die visuelle Umsetzung des Filmes vor.

Die Schlusssequenz – die vollständige Vernichtung des Takeda-Clans – kommt nahezu ohne Dialoge aus. Zunächst erfahren die Gegner des Takeda-Clans, dass deren Fürst Nobukado tot ist. Der Doppelgänger des Fürsten wird entlarvt. Katsuyori, der eigentliche Führer des Takeda-Clans befiehlt den Angriff gegen die Truppen Nobunagas und Ieyasus. Die drei Generäle des Takeda-Clans sammeln ihre Soldaten unter den Bannern von Wind, Wald und Feuer, gekennzeichnet durch die Farben Schwarz, Grün und Rot.

Die Einstellungen der beginnenden Schlachtsequenz sind ungewöhnlich lang und von statischer Komposition: „These are uncomfortably long shots, providing no reprieve from the image as presented. Shots like these up the stakes on the standard voyeurism inherent in cinema, turning the tables on audiences by forcing them to watch past the point of their own comfort. They form, in a sense, a gallery of paintings that we’re not allowed to look away from.“ (Chant 2010)

Storyboard-Zeichnung für KagemushaStoryboard-Zeichnung für Kagemusha. Source: strangewood.tumblr.com Fair Use

Chant, Ian: The Brush and the Lens. Kurosawa As Painter and Filmmaker. Chicago 2010. URL: http://www.popmatters.com/feature/131997-the-brush-and-the-lens/ (abgerufen im November 2016)
Richie, Donald: The Films of Akira Kurosawa. Berkeley / Los Angeles / London 1996 (3. Aufl.).
Stafford, Roy: Kurosawa: Master of World Cinema. Bradford 2010.
URL: http://www.nationalmediamuseum.org.uk/~/media/Files/NMeM/PDF/Collections/Cinematography/KurosawaMasterOfWorldCinema.pdf (abgerufen im November 2016)